Rezension zu William Shakespeare: Wie es Euch gefällt
(Aufführung von Vivant Theater am 26., 27. und 28. Aug. 2021)
Von Heiko Schröder
Welch ein Ereignis! Drei wundervolle Aufführungen. Und das schreibe ich nun aus einer Distanz von fast zwei Monaten. Es war ein Kosmos verschiedenster ,,Typen‘‘, die unsere Theatergruppe unter der Leitung von Angela Isbaner und Carsten Rieck auf die Bühne zauberte. Neben der schauspielerischen Leistung bleibt vor allem die ausgewogene und originelle Gestaltung im Gedächtnis, die eine ganz eigene Note trägt! Ein Jacques wird zur Jacqueline, ein Adam wird von einer hundertprozentigen Eva dargestellt – selbst Rosalinde und Celia kommen im Originaltext anders ,,rüber‘‘. Shakespeare mit einer ganz eigenen Handschrift. Oh, ja, das hat mir sehr gefallen!
Wenn man erst damit anfängt, eine Figur herauszuheben, kommt man vom Hundertsten ins Tausendste. Aber in einem Fall muss ich es nun doch tun: Das ist Fenja Mölls Rosalinde. Äußerste Zurückhaltung, jede andere Figur konnte sich selbst entwickeln, und doch war sie stets die leuchtende Mitte. Gerrit Kocks Narr (war der eine Wucht!) ,,brauchte‘‘ viel Raum und ein großes Volumen und konnte sich ausleben, ohne Rosalinde auch nur im Geringsten die Schau zu stehlen, was bei einer Nicht-Fenja vielleicht möglich gewesen wäre. Es ist die umwerfende Natürlichkeit ihrer Gestaltung, die das verhinderte (und die auch Antonia Boye zu eigen ist, deren Phoebe, so ,,klein‘‘ die Rolle dieses Mal auch war, sehr in Erinnerung bleibt). Sie war immer präsent, und auf eine ganz andere Weise ,,mitreißend“, als zum Beispiel Gerrit. Sein ,,Narr“ war äußerst originell. Ein ,,Kerl“ mit einem unerschütterlichen ,,Standing“ und universitärem Einschlag, der trotz aller Ausstrahlung keine der anderen Figuren gefährdete. Super
Celia (Johanna Geutjens) und Rosalinde waren zweifellos die beiden Leuchtkäfer im Ardenner Wald. Im (deutschen) Text wirkt auf mich Celia entfernt wie ein weiblicher Sancho Panza, und Rosalinde etwas weltentrückt. Bei Fenja und Johanna kehrt sich das zwar nicht um, aber die beiden ergänzen sich besser als in meiner Vorstellung, wenn ich den Text lese.
Jacqueline (Jette Freter) hat mir sehr gefallen. Sie hatte manchmal die Tendenz, etwas zu überzeichnen (zum Beispiel in ihrem Monolog, als sie einen Diskant parodierte), bekam aber immer die Kurve, so dass nie die Glaubhaftigkeit gefährdet wurde. Die beiden (im besten Sinne!) ,,verpennten“ Figuren – der Schäfer (Gemma Steinberg) und vor allem Diana (Carlotta Magnus) – hatten ihren eigenen Humor. Und Lea Schildts verbannter Herzog erst recht! Ein Herzog als Waldschrat!
Herzog Friedrich (Mareike Hundertmark) war mir manchmal ein wenig zu laut, muss ich zugeben. Seine Worte hatten Gewicht, aber wenn sie geschrien werden, wird die Figur für mein Empfinden leicht zur Karikatur. Vielleicht war das aber auch so gedacht. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt die Darbietung von Mareike allemal!
Lucas Thiel hat seine Figuren erfrischend ,,trocken“ gegeben und war bisweilen ein drolliger Kontrast neben Benedikt Krauses ,,leichtüßigerem“ Orlando (im besten Sinn). Auch Cara Moser O‘Kelly spielte eine Doppelrolle (Charles, weise Frau) und das phänomenal. Sie zu erleben war schon ein Grund, mehrere Aufführungen zu sehen.
Nach einem Konzert hörte einst Georg Friedrich Händel aus dem Publikum: ,,Verehrter Meister, Sie haben uns ergötzt.‘‘ Händel bedankte sich höflich, konnte es aber sich nicht verkneifen zu bemerken: ,,Ich wollte aber nicht ergötzen, sondern verändern.‘‘ Und Oskar Werner sagte ein paar Jahrhunderte später sinngemäß: ,,Es ist der Zauber der Verwandlung, dessentwegen man ins Theater geht.‘‘ Was gibt es über ein Schultheater noch zu sagen, das Beides ermöglicht?
Vielen herzlichen Dank an die ganze Truppe!